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Buchtipp: Über die Grenzen

Buchtipp: Über die Grenzen

10.03.20 10:55 1.866Drei Männer, drei Leben, eine Route. Der eine radelt aus Spaß von Wien nach Teheran, die anderen flüchten aus Verzweiflung in die Gegenrichtung.10.03.20 10:55 1.868

Buchtipp: Über die Grenzen

10.03.20 10:55 1.8681 KommentareDrei Männer, drei Leben, eine Route. Der eine radelt aus Spaß von Wien nach Teheran, die anderen flüchten aus Verzweiflung in die Gegenrichtung.10.03.20 10:55 1.868

Sie sind ungefähr gleich alt, und sie bereisen die selben Länder. Damit hat sich's aber auch schon mit den Gemeinsamkeiten der drei bzw. sechs Protagonisten des Buches „Über die Grenzen“.
Franz Paul Horn erzählt darin die Geschichte seiner Radreise von Wien nach Teheran, geplant in einem Anfall von Lebensfreude und Übermut und ausgeführt mit zwei Studienkollegen im Sommer 2015. Unbekümmert und einigermaßen unvorbereitet stürzen sie sich ins Abenteuer, das zu einem Fest der Spontaneität, Improvisation und Gastfreundschaft wird.
Zur etwa gleichen Zeit reisen Malek aus Afghanistan und Filip aus Syrien ebenfalls tausende Kilometer auf ähnlicher Route, bloß andersrum. Sie sind Flüchtlinge, und nicht freiwillig unterwegs, sondern um dem Krieg und dem IS zu entgehen. Ihr Weg führt über Schlepper-Willkür, Gewalterfahrungen und lebensbedrohliche Situationen.
In Wien kreuzen sich ihre Wege und der Autor beschließt, seine und ihre Geschichte niederzuschreiben. Und so trifft in „Über die Grenzen“ sportlich-reisefreudiges Vergnügen auf wochenlangen Überlebenskampf.

Detailansicht

In harten Schnitten erlebt man die selben Länder, Städte und Grenzen aus zweierlei Perspektiven. Aus seinem heißersehnten Landstreicherleben im poststudentischen Reisetriumvirat erzählt Franz Paul Horn in durchwegs selbstironischer, lustig-flapsiger und stilistisch bisweilen an Wolf Haas Brenner-Romanen angelehnter Weise. Tagebuch-Einträge und ganzseitige Fotos (mit fast unlesbar dezenten Bildunterschriften) ergänzen die Geschichten vom Zelten, Genießen, Nacktbaden, Feiern, Erkranken, Flirten, Rasten, Reparieren, Schwitzen und ... ach ja, Radfahren.
Die Erzählstränge zu Malek und Filip hingegen sind die vergleichsweise nüchtern wiedergegebenen und vielleicht gerade deshalb sehr bewegenden Tatsachenberichte des Afghanen und des Syrers. Aus den Fängen der Taliban bzw. vor dem drohenden Kriegsdienst flüchten die beiden jeweils alleine, ohne ihre Familien, über Gebirgszüge und das Mittelmeer, zu Fuß, per vollgepferchten Autos oder Bussen, Booten, und ein kurzes Stück auch per Rad. Den Schleppern ausgeliefert, pflastern Brutalität, Hunger und Durst, Erschöpfung, Kälte, Krankheit, Gefangenenlager uvm. ihren Weg. Erwünscht oder in Sicherheit sind die beiden nur ganz selten, in Lebensgefahr dafür recht oft.

„Ich habe bewusst auf Ausschmückungen verzichtet, um die Geschichten originalgetreu zu erzählen, vieles ist im Wortlaut“, so der Autor im Epilog. Über die mit den beiden Protagonisten geführten Interviews hinaus hat er recherchiert und weitere Flucht-Gespräche geführt, um die auf den ersten Blick haarsträubend anmutenden Stories „abzusichern“, wie er meint.
Es ist somit tatsächlich das Leben, das die unglaublichsten Geschichten schreibt. Im Fall des 400-seitigen, auch als E-Book erhältlichen Hardcovers hinterlassen sie einen nachdenklich, amüsiert, schockiert – je nachdem, wer gerade wovon erzählt. Und jedenfalls dankbar, dass unsereins in der Position ist, gänzlich freiwillig zum Reisenden zu werden.

Autor: Franz Paul Horn
Titel: Über die Grenzen. Wien, Damaskus, Kabul: Drei wahre Geschichten von Reise und Flucht
Verlag: Kremayr & Scherlau
ISBN 978-3-218-01187-7
Preis: € 22,-

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