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Conway MF 829

Da ist er wieder! Ein Stangerl vertikal, eine Wippe horizontal, ein Dreh- und Angelpünktchen dort und da, dazu verbindende Streben ... Alle Jahre wieder taucht diese dereinst IMP (Intelligent Moving Pivot) getaufte Abänderung eines VPP-Hinterbaus in unserer Redaktion auf. Mal als Marathon-Fully mit straffen 120 mm, mal als All Mountain mit schluckfreudigen 150. In seiner jüngsten Adaptierung ziert der von German:A-Frontmann Thomas Kamm entwickelte Hinterbau mit virtuellem Drehpunkt einen Twentyniner mit 12 Zentimetern Travel, und wie seine Kollegen von früher hört dieser auf einen etwas sperrigen Namen: Q-MF 829. Conway hat uns also wieder einmal mit einem Testbike beglückt, genauer: mit dem Topmodell der dreiteiligen Alu-Fullsuspension-Serie MF.

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Der erste Eindruck ist irgendwie ... sympathisch. Modernes Mattschwarz als Grundfarbe, dazu frische Blautöne und gekonnt abgestimmte weiße Tupfer; saubere Schweißnähte, vernünftiger Radstand, hochwertige Federelemente, klassisches Rahmendreieck mit ausreichend Überstand und jö, siehe da, eine Dreifach-Kurbel!
Nennt mich konservativ oder gar von gestern, aber bis heute will mir nicht eingehen, warum die Massen mäßig trainierter Freizeitsportler neuerdings mit größeren Kettenblättern trotz größerer Laufräder zurechtkommen sollen. Hier jedoch: 22 zu 36. Eine Wohltat für Fans langer Anstiege und höherer Trittfrequenzen, die sich kraftmäßig nicht auf Soukup- oder Osl-Niveau bewegen. Und andererseits: 40 zu 11 - schon lange nicht mehr so flott durchs leichte Gefälle gebolzt!
Conway positioniert das MF 829 als Marathon-Fully. Insofern ist diese Antriebswahl erfrischend konsequent und realistisch. Ein Langstrecken-Bike um - übrigens sehr faire - 2.799,95 Euro wird schließlich kaum einen bis in die Haarspitzen auftrainierten Fahrer sehen ...

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Bei der Fahrbereitstellung sammelt das Alu-Fully dann ein paar Minuspunkte. Zwar lässt sich ein Flaschenhalter montieren, in Größe 44 bleibt jedoch kein Platz für eine ordentliche Bouteille. Nur 0,5 Liter - da wird der Trinkrucksack zur Pflicht.
Ebenfalls immer mit dabei sollte ein Minitool sein, denn der Sattelstützen-Schnellspanner fehlt. G'schwind verladen ins kleine Auto? Fehlanzeige. Für die steile Abfahrt kurz etwas Luft verschaffen? Njet.
Und auch die Zugverlegung des vorderen Werfers überzeugt nicht ganz. Zwischen Rocker und Sitzrohr durchgefädelt, scheint ein Aufscheuern vorprogrammiert (im Testzeitraum aber nicht geschehen). Und überhaupt: Zugverlegung durchgehend außen ... das hat zwar jahrelang gut funktioniert und wird's gewiss auch hier tun; aber optisch wirkt das mittlerweile ungewohnt unordentlich. Faktisch hat die Bowde des vorderen Schaltseils Schaden genommen, weil sie nach Rechtskurven gelegentlich am CTD-Hebel der Gabel hängen geblieben ist und eingeklemmt wurde, wenn dieser ganz links stamd - ein Hoppala, das durch eine engere Zugverlegung vermieden hätte werden könnte.
Last but not least: Bei der Gewichtsangabe ist der Hersteller mit 12,6 um ein halbes Kilo (!) zu optimistisch. An der Rahmengröße kann's nicht liegen, denn kleiner als das Testbike wird das MF 829 nicht mehr!

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Tech Specs

RahmenAlu 7005 TB IMP 120 mm X12KassetteShimano XT 10-f, 11-36 Z.
Größen44/48/52/56 cmNabenShimano XT 15 mm/12x142 mm
GabelFox 32 Float 29 CTD, 120 mmFelgenConway Neo 29 Disc
DämpferFox Float CTD
ReifenSchwalbe Racing Ralph Evo 29x2,25"
SchaltwerkShimano XTLenkerRontec Lhotse Lowriser, 720 mm
SchalthebelShimano XTVorbauContec Lhotse
UmwerferShimano XTSteuersatzContec
BremsenShimano XTR, 180/160 mmSattelContec VL 1318
KurbelShimano XT, 22/30/40 Z.SattelstützeContec Lhotse
InnenlagerShimano BB 71 PressfitGewicht13,16
KetteShimano HG75Preis€ 2.799,95
Detailansicht

Der Radstand bleibt trotz 470 mm langer Kettenstreben einigermaßen kompakt (1170 mm). Die daraus resultierende Sitzposition wäre mir für einen Marathon zu gemütlich, selbst nach Entfernung sämtlicher Spacer. Für ausgedehnte Touren hingegen scheint die Geometrie perfekt - zumindest für Leute, die aus der XC-Ecke kommen. Abfahrtsorientiertere Menschen würden sich hierfür wohl einen etwas flacheren Lenkwinkel wünschen.
Wer's gern etwas sportlicher hätte, hat beim relativ kurzen Vorbau noch Spielraum. Dies würde dem Bike womöglich auch den Hang zum "Geigeln" beim (wirklich) langsamen Bergauffahren nehmen. Andererseits aber etwas von seiner Eignung für enge Kurvenradien und flinke Richtungswechsel nehmen ...

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Apropos Eignung: Ein Twentyniner mit 120 Millimetern sollte ja an sich ein ganz schön verzeihendes Konstrukt sein - so auch hier. Quasi von alleine (will heißen: nicht unbedingt Kraft des fahrtechnischen Genies seiner Testerin) schafft ein solches Gefährt durchaus respekteinflößende Felskanten, tiefe Bachfurten, steile Downhills etc. Und zwar dergestalt, dass Wohlbefinden herrscht am Trail und Sicherheit. Außer, die Challenge heißt Freeridestrecke Alpbach und folgt auf einen Tag Asphaltfresserei, bei der sich Mountainbiker's Herz und Hirn, ergo Mut und Einschätzungsvermögen, in einen unerquicklichen Standby-Modus verabschiedet haben. Aber das ist eine andere Geschichte
Was das Fahrwerk aber wirklich par excellence beherrscht, ist das Schlucken halbhoher Stufen bergauf. An solchen Stellen gibt die Gabel so wohldosiert nach und folgt der Hinterbau so stimmig hinterdrein, dass einem warm ums Herz werden könnte, wenn die mangelnde Kondition das nicht schon längst per hämmerndem Puls erledigt hätte.
Paradox: Immer wieder baute sich auf rumpeligen Passagen deshalb vor meinem geistigen Auge das Bild vom Conway auf, wie es, einem Haifisch gleich, das Maul öffnet und Stein um Stein, Wurzelkante um Wurzelkante einfach verschlingt - als ob diese kleinen Fischchen nie dagewesen wären.

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„Effizienz“, „Minimierung von Antriebseinflüssen“, „straff-dynamische Hinterbau-Kinematik“ wären die etwas weniger animalischen Schlagworte, die Conway zu diesem Thema liefert, die Schluckfreudigkeit des MF 829 aber eigentlich ziemlich unter den Scheffel stellen. Trotzdem haben die Herren Entwickler aber natürlich Recht: freudig vorwärts und wippfrei geradeaus fährt das Bike außerdem.
Und dann wäre da noch die CTD-Funktion der Fox-Komponenten. Drei Stufen, drei Einsatzbereiche: Climb, Trail, Descend. Klingt so logisch und ist es auch. Weil zudem der Travel, den die Federelemente in der betreffenden Position freigeben, für den jeweils vorgesehenen Zweck schlichtweg perfekt ist, ist dieses System des „Lockouts“ eigentlich das einzige, das ich in der Praxis auch tatsächlich und regelmäßig verwende. Diesfalls mit Hang zur gänzlich offenen Position, wohlgemerkt, weil sie mir zum von vornherein straffen Fahrwerk des Conway über weite Teile am stimmigsten erschien.

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Die Racing Ralphs sind bekanntlich eher Trockenreifen, schlagen sich aber auch auf schmierig-schmatzigem Untergrund wacker. Das müssen die beliebten Renn-Pneus aber auch, denn für voluminösere oder grobstolligere Gummis ist unterhalb der Querstrebe des Hinterbaus schlicht und ergreifend kein Platz.
Zwischen Sattel und meinem Allerwertesten entwickelte sich keine tiefergehende Freundschaft, was einfach daran lag, dass jeder Topf seinen Deckel finden muss. Optisch wie haptisch ist der niedersächsischen Eigenproduktion kein Vorwurf zu machen, einzig das robuste Material an den Kanten hat die falsche Farbe bzw. bleibt nicht lange Weiß. Helle Freude dafür mit einem anderen Eigenbau-Produkt: den Griffen. Guter Grip, Halt, Durchmesser - einfach fein.
Etwas Mühsal bereitete die hintere Bremse, war doch irgendwo zwischen Montage und Verpackung Öl an die Scheibe gekommen. Dementsprechend die anfängliche Bremsleistung und Geräuschkulisse. Bis das Putzen und Schmiergeln endlich fruchtete, leistete aber auch die vordere solo hinreichend Ersatz - genau genommen geht ja kaum etwas über Bremskraft und Dosierbarkeit einer XT ...
Der funktionell einwandfreie XT-Antrieb hingegen erzeugte, wie bereits bei der Entdeckung der Dreifach-Kurbel vermutet, ganz ungetrübtes Dauerlächeln. Steilstich voraus? Macht nichts, einen Gang gibt's ja noch! Konkurrent im Flachstück in Sicht? Na warte, dich krieg ich auch noch! In Summe nehme ich die häufigeren Schaltvorgänge, die doppelt gemoppelten Optionen und das bisschen Mehrgewicht gerne in Kauf, wenn ich im Gegenzug für Fullspeed nicht mit 120 haxeln oder - noch ungleich wichtiger - deutlich später müde werde, eine feine Abstimmung vorfinde und manchen Anstieg, der mit anderen Testbikes der letzten Zeit unüberwindbar wurde, wieder meistern kann.

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Fazit

Conway Q-MF 829
Modelljahr:2014
Testdauer:2,5 Monate
+gefälliges Fahrwerk, schluckfreudig, aber effizient
+wendig trotz langer Kettenstreben
+breit übersetzt
oleichtes "Geigeln" im Schneckentempo bergauf
-im S-Rahmen kein Platz für große Flasche
-Hinterbaustreben zu knapp für grobstollige Reifen oder Dreck
-fehlende Schnellverschlüsse für Sattelstütze, Hinterrad
-0,5 Kilo Übergewicht
Resümee:Racer im Katalog, Tourer im Herzen.

Insgesamt gefiel das Q-MF 829 ausgesprochen gut. Optisch, weil's nett durchdesignt ist, und in Sachen Fahreigenschaften, weil es hinsichtlich Vortrieb und Kinematik hält, was Conway verspricht, gleichzeitig aber bei Schluckfreudigkeit und Fahrwerks-Abstimmung noch ein ganzes Schäuferl nachlegt.
Für einen Twentyniner ziemlich quirlig wirkt das Alu-Fully außerdem.

Trotzdem würde ich mit dem vom Hersteller als Marathon-Bike klassifizierten Modell kein Rennen fahren wollen – aus einem einfachen Grund: 13,2 Kilo ohne Pedale, davon ein Gutteil an den hauseigenen Laufrädern, für die's zudem hinten (im Falle einer Reifenpanne während des Wettkampfs sehr zeitaufwändig) einen Inbus zum Öffnen braucht.

Für ausgedehnte Touren diverser Schwierigkeitsgrade wäre mir der Norddeutsche hingegen ein lieber Begleiter, sportlich-komfortabel ausgerichtet, einfach zu handhaben und solide bestückt, wie er ist.
Oder wie es der Zweit-Tester, bisher leidenschaftlicher Twentyniner-Gegner, ausdrückte: Damit ist auch kleinen Piloten nichts verboten ...

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Feine Fotos!

 

2 Anmerkungen zum Thema außenliegende Bowdenzüge und 2/3fach Kurbel:

 

Wer nicht einen eigenen Mechaniker sein eigen nennt, wird sich freuen, keine innenverlegten Züge erneuern zu müssen - vom Mehrgewicht mal abgesehen.

 

Ich bin auch so ein Hobbist mit 29" und 2fach Kurbel - untrainiert und zu blad. Trotzdem reicht es für meine Ausfahrten und Touren vollkommen aus, früher simma halt hinten ein 32er gefahren, jetzt ein 36er.

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Conway ist bekanntlich die Eigenmarke des deutschen Bikeriesen Hartje.

Importeur einiger mehr oder weniger bekannten Bikeparts (zum Teil auch für Österreich).

Die Rahmen haben generell etwas Speck auf den Hüften, sind eher Durchscnitt.

Das Rad mag im großen und ganzem kein schlechtes sein, es ist einfach zu Teuer!

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Trotzdem würde ich mit dem vom Hersteller als Marathon-Bike klassifizierten Modell kein Rennen fahren wollen – aus einem einfachen Grund: 13,2 Kilo ohne Pedale, davon ein Gutteil an den hauseigenen Laufrädern, für die's zudem hinten (im Falle einer Reifenpanne während des Wettkampfs sehr zeitaufwändig) einen Imbus zum Öffnen braucht.

Imbus.... :zwinker:

Ansonsten gut geschrieben und schöne Fotos. :klatsch:

 

Aber ein Rad ohne Sattel- und Hinterradschnellspanner ist ein No-Go.

Was denken sich die Entwickler dabei?

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