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Conway GRV 1200 Carbon

Conway GRV 1200 Carbon

19.07.19 07:52 13.609Text: Luke Biketalker
Lukas Schnitzer
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Fotos: Erwin Haiden
Irgendwo zwischen Granfondo und Gravel will das komfortable Conway GRV 1200 Carbon seinen Weg über so gut wie alle Wege finden. Wir haben die Vielseitigkeit auf den Prüfstand gestellt.19.07.19 07:52 14.103

Conway GRV 1200 Carbon

19.07.19 07:52 14.1032 Kommentare Luke Biketalker
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Erwin Haiden
Irgendwo zwischen Granfondo und Gravel will das komfortable Conway GRV 1200 Carbon seinen Weg über so gut wie alle Wege finden. Wir haben die Vielseitigkeit auf den Prüfstand gestellt.19.07.19 07:52 14.103

Vielfach wandelbar und sprunghaft wie ein Fähnchen im Wind, was Umfeld und Einsatzbereich betrifft. Was in der Politik der 2000er Jahre zum fest anhaftenden Laster geworden scheint, gilt in der Gravel-Szene als willkommene Tugend. Entsprechend gingen die Anstrengungen der Entwickler bei Conway nicht in Richtung eines ausgewiesene Spezialisten, sondern eines vielseitigen Generalisten, der die Brücke zwischen Marathon, Anyroad, Gravel und Cyclocross schlagen soll. Für 2019 wurde die Carbon-Variante des GRV komplett neu entwickelt. Das GRV 1200 stellt in dieser Sicht die Speerspitze im Lineup der Deutschen dar.

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Rahmenset

In seiner Linienführung hebt sich der Rahmen des GRV - GT einmal ausgenommen - doch deutlich vom Markt ab. Dabei obliegt der Dreiecksstrebe am Übergang zwischen Ober- und Sitzrohr nicht einmal ein rein optischer Zweck; vielmehr möchte man damit einerseits während im Geländeeinsatz doch mitunter vorkommender Tragepassagen der Schulter einen komfortableren Auflagepunkt bieten. Außerdem soll sich durch den entstehenden Knick und das schlanker fortgeführte Oberrohr mehr Flex bis zum Sattel ergeben. Neben dem kleinen Zusatzdreieck glänzt das GRV auch rundum mit streng geometrischen Formen. Ohne Schnörkel und zu viele Rundungen sind es eher die Ecken und Kanten, die dem Rad Gestalt geben.

Leicht gebogen sind nur die Ausfallenden an Hinterbau und Gabel. Ein kleiner Schwung in den Kettenstreben soll wohl genauso für „plattfedernde“ Wirkung sorgen wie der Schwung an der Gabel. Durch die nach hinten gewunden Ausfallenden stehen die Gabelschneiden flacher als bei herkömmlichen Gabeln. Dies sorgt für einen höheren vertikalen Flex und bietet dem Fahrer mehr Komfort.

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Sämtliche Leitungen und Züge werden intern geführt, sowohl 1-fach wie auch 2-fach Antriebe sind möglich. Für ein Gravel-Bike eher ungewöhnlich, finden sich relativ wenige, wenn auch mit 3 Montagepunkten immer noch ausreichend viele Anschlagpunkte für Trinkflaschen und Co. am GRV. Dafür sind etwaige Schutzbleche dank der abnehmbaren Fender Bridge - jene Brücke, an der bei Rädern mit Felgenbremsen die Hinterradbremse befestigt war - rasch montiert. Die passenden Anschlagpunkte an den Ausfallenden sind zur Wahrung der sportlichen Optik gut versteckt. Apropos gut versteckt: Auch der Akku einer Di2 - sollte man eine an seinem GRV haben - steckt im Verborgenen. Wie auch am XC Hardtail RLC verbirgt sich hinter dem Flaschenhalter am Unterrohr eine Abdeckung, hinter welcher sich der Akku montieren ließe. In Summe der Details soll der Rahmen (ohne Gabel) um die 990 g wiegen.

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Drin und dran

Für fair kalkulierte 3000 Euro packt Conway einen hochwertigen Teilemix an das GRV 1200. Antrieb und Verzögerung übernimmt geschlossen Srams tausendfach bewährte Force CX1. Soll heißen, an der Kurbel gibt es nur ein 40er Blatt, die nötige Bandbreite liefert eine 10-42 Zahn Kassette. Dass in der Spezifizierung des GRV jemand mitgedacht hat, der selbst viel Zeit im Sattel zu verbringen scheint, davon zeugt der Disc-Durchmesser: 160 mm an beiden Laufrädern garantieren auch in steilem Geläuf und bei rutschiger Dauerbremserei genügend Standfestigkeit. Leichte und vor allem robuste Alu-Laufräder von DT Swiss - exakter die ER 1600 Spline 32 - rollen auf Schwalbe G-One Speed in 35 mm Breite. Mit Abbauteilen von Zulieferer FSA stoppt die Waage des GRV 1200 bei offiziellen 8,6 kg. Unser Testmodell in Größe Large bringt es auf 8,7 kg.

Tech Specs

Rahmen: Conway Gravel, Carbon Innenlager: Sram Pressfit
Gabel: Carbon "DU", Vollcarbon Bremse: Sram Force, 160/160 mm
Vorbau: FSA Energy Sattelstütze: Conway Patent, 31,6 mm
Lenker: FSA Adventure Gravel Compact Sattel: Conway 1489 sport superlight
Lenkerband: Conway Gel Tape Laufräder: DT Swiss ER1600 (12 x 100/12 x 142 mm)
Schaltwerk: Sram Force 1, Type 2.1, 11-fach Reifen: Schwalbe G-One Speed, 700 x 35 mm
Schalt-/Brems-Hebel: Sram Force1, hydraulisch Gewicht: 8,6 kg
Kassette: Sram PG1130, 11-42 Z Gewicht BB: 8,7 kg (Größe Large)
Kette: Sram PC 1170 Preis: € 2999,95
Kurbel: Sram Force, 40 Z

Schnitt

Conway möchte das GRV zwischen Marathon, Gravel und (Hobby-)Cyclocross platzieren. Das sieht man auch an der Geometrie: Tretlagerhöhe, Radstand, Sitz- und Lenkwinkel liegen in der immer mehr verwaschenen Mitte zwischen Gravel und Cyclocross. Gerade mit der wachsenden Zahl an „amerikanischen“ Crossern wurde ja hier bereits viel Grauzone geschaffen. Eher gen Komfort und entspanntem Gravel- oder Marathon-Einsatz tendieren der etwas höhere Stack (597 mm, Large) sowie der gegenüber einem rennorientierten Modell kurze Reach (388 mm, Large). Aber Zahlen sind nur grobe Anhaltspunkte; ihr Zusammenspiel bestimmt, wie es sich am GRV sitzt.

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Das Testbike in Größe 56 ist für gemessene 1,80 m und 86 cm Schrittlänge zwar im Rahmen, seitens individueller Vorlieben (kompakt und wendig) allerdings deutlich am größeren Ende der Fahnenstange angesiedelt. Der Sitzwinkel dürfte eine Spur steiler (oder einfach die Sattelstütze ohne Setback) sein. Unterm Strich sitzt es sich aber durch das lange Steuerrohr äußerst aufrecht, fast schon wie auf einem Hardtail, aber dennoch irgendwie sportlich - und vor allem absolut langstreckentauglich. Ein Gefühl, das durch Oberlenker- und Unterlenkergriff nochmals deutlich variiert werden kann. Überhaupt hat die Griffposition am GRV einen deutlich größeren Einfluss auf das Fahrerlebnis als an anderen Rädern mit Rennlenker.

Geometrie

Rahmenhöhe: S M L XL
Sitzrohr (mm): 470 500 530 555
Oberrohr (mm): 528 545 570 590
Lenkwinkel (°): 71 71,5 72 72
Sitzwinkel (°): 73,5 73,5 73 73
Kettenstreben (mm): 420 420 420 420
Steuerrohr (mm): 140 150 170 190
Radstand (mm):  998 1011 1026 1046
Stack (mm): 564 576 597 616
Reach (mm): 361 374 388 402
Tretlagerabsenkung (mm): 70 70 70 70
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Was bereits die ersten Meter im Sattel des Conway GRV untrüglich verraten - das GRV hat mit dem ihm eingangs in den Mund gelegten Crosser wenig gemein. Nicht, dass man damit nicht auch an einem Querrennen teilnehmen könnte. Doch mit der jugendlich übermütigen, fast schon nervösen Wendigkeit eines europäischen Crossers verbindet es wenig; vielmehr fühlt man sich von Beginn an bereit für die lange Tour. Das lange Steuerrohr verlangt - kommt man von sportlicher gezeichneten Rädern - nach etwas Eingewöhnungszeit, bietet dafür aber viel Komfort im Oberlenker. Angst vor verspannten Schultern oder gestauchtem Brustkorb muss man auch mit über 100 ruppigen Kilometern in den Beinen nicht haben. Aufrecht und entspannt positioniert will das Conway nicht rasen, sondern rollen und die Eindrücke der Landschaft aufsaugen. Den Komfort am Heck holt es dabei vorrangig aus dem Volumen der Reifen. Das Versprechen des im oberen Bereich flexenden Sitzrohrs kann das Bike nur bedingt einlösen. Vielleicht würde eine adäquate Carbonstütze ebenfalls etwas mehr Flex generieren als das verbaute Alu-Pendant. Dafür braucht man sich um die Steifigkeit und damit Lenkpräzision auch mit viel Zuladung - sei es in der Hüftgegend oder am Rad - in keiner Situation Sorgen zu machen.

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Was gerade über Schotterpisten freut, ist die gute Führung der Kabel. Trotz resonanzanfälligem Carbon rüttelt, scheuert und klappert absolut nichts. Ein unabdingbarer Tausch aus Gründen persönlicher Präferenz würde den Lenker betreffen. Denn mit den weit ausgestellten Drops und der sich daraus ergebenden Schräglage der STIs können meine Schultern so gar nicht leben. Im Oberlenker und in den Drops selbst ist alles bestens. Meine Lieblingsposition mit den Händen an den Schalt-/Bremshebeln wird dadurch allerdings - subjektiv - unfahrbar. Ein kleiner Geheimtipp sind die 30 mm hohen DT Swiss ER 1600 Spline. Robust, mit angenehm leisem Freilauf und mit 1760 Gramm nicht übertrieben schwer, stellen sie eine tolle Alternative für Graveltouren, aber auch für Trainingsfahrten dar.

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Bergauf

Im Uphill sitzt es sich sehr komfortabel, aber dennoch effizient. Erst in sehr steilen Passagen verlangt das Rad ob des hohen Steuerrohrs nach etwas Gewichtsverlagerung und einem Griff in den Unterlenker. Doch das Kletterlimit am GRV 1200 setzen nicht Beine oder Übersetzung, sonder eher die Schwalbe G-One. Was der Reifen kann, ist ruppigem Schotter die Spitzen zu nehmen; auch auf trockenem Asphalt überzeugt der Reifen mit guten Rolleigenschaften. Im echten Gelände, über feuchte Feldwege und Wiesen und selbst in geteerten, nassen Anstiegen stößt der Schwalbe aber an seine Grenzen. Ein Beispiel gefällig? Bei strömendem Regen im Anstieg über die Eiserne Hand rutscht das Hinterrad mehrmals unvermittelt weg - nicht im Wiegetritt, sondern im Sitzen, wohlgemerkt. Doch wählt man sein Gelände dem Reifen oder den Reifen dem Gelände entsprechend, sollte es bergan weder im Marathon- noch im Gravel-Einsatz Probleme geben. Und auch vor der Übersetzung muss man sich nicht fürchten: alles, was tatsächlich Spaß macht, ist mit 40 - 42 fahrbar. Wer sich in steileren Gefilden bewegt, kann ja immer noch auf ein 38er Blatt umrüsten.

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Bergab

Hier spielt das GRV 1200 seine hohe Steifigkeit voll aus. Zusammen mit den auf Asphalt sehr griffigen 35 mm Pneus bleibt das Rad bis in hohe Geschwindigkeitsbereiche gut beherrschbar und lässt sich willig durch sämtliche Radien zirkeln und drücken. Dabei fühlt sich die Lenkung im positiven Sinne leicht indirekt an. Dadurch kann man auf Schotter oder über rutschige Passagen viel Druck über den Lenker aufbauen, ohne sich mit einer nervösen Front herumschlagen zu müssen. Den Schwalbe Pneus sei auch zugute zu halten, dass sie im Gelände bergab deutlich länger zu bestehen wissen als bergan. Soll heißen, auch über Wurzeln oder überraschend feuchte Passagen halten die Reifen die Spur - wer aber regelmäßig im Gelände unterwegs ist, sollte sich nach etwas mehr Profil und besserer Selbstreinigung umsehen.

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Fazit

Conway GRV 1200
Modelljahr: 2019
Testdauer: 400 km
Preis: € 2.999,95
+ Eigenständiger Rahmen
+ Langstreckentauglich
+ Steif
+ Leise
+ Vielseitig
+ Laufräder
o Hohe Front
o Lenker
- Komfort kommt in erster Linie aus den Reifen
BB-Urteil: Vielseitiger Roller für die Langstrecke.

Das Conway GRV 1200 präsentiert sich im Fahrbetrieb eher als komfortables Granfondo mit gewissen Vorzügen in der Geländegängigkeit denn als Hardcore-Gravel. Asphalt in sämtlichen Beschaffenheiten, Schotterwege, Forstautobahnen und der eine oder ander Pfad - nicht Trail - stehen auf der Speisekarte des Carbon-Bikes. Der geräuscharme Rahmen, die schlüssige Ausstattung und die langstreckentauglich aufrechte Geometrie wollen über weite Distanzen bewegt werden - und fordern auch gerne dazu auf. Leider geht die hohe Steifigkeit des Rahmensets etwas zu Lasten des Komforts. Hier müssen die Reifen unwillkommene Einflüsse filtern. Je nach Einsatzgebiet sollte man neben den serienmäßigen Schwalbe G-One aber ein zweites Paar Pneus für's Grobe im Keller halten.

Mit relativ eigenständiger Optik, Ösen für Schutzbleche und der vielseitigen Einsetzbarkeit ist das 3.000 Euro teure GRV 1200 ein interessanter One-Bike Quiver für komfortorientierte Käufer. Vor allem die Sattelstütze sollte man sich dann aber direkt beim Händler gegen ein Pendant aus Carbon tauschen lassen.

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