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Bergamont E-Trailster Expert 29

Bergamont E-Trailster Expert 29

02.08.19 09:54 11.541Text: Ralf Hauser
Ralf Hauser
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Fotos: Erwin Haiden, NR22
Der Name ist Programm: Bergamont nimmt elektrifiziert die Trails unter die 29"-Räder, mit 160 mm Federweg vorne und 145 mm hinten. Ab zum Härtetest.02.08.19 09:54 11.755

Bergamont E-Trailster Expert 29

02.08.19 09:54 11.7552 Kommentare Ralf Hauser
Ralf Hauser
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Erwin Haiden, NR22
Der Name ist Programm: Bergamont nimmt elektrifiziert die Trails unter die 29"-Räder, mit 160 mm Federweg vorne und 145 mm hinten. Ab zum Härtetest.02.08.19 09:54 11.755

Wahlweise als Modelle mit 27,5" oder 29" Bereifung erhältlich, rollt unser E-Trailster Expert 29 Testbike, wie der Name bereits vermuten lässt, auf der großen Reifenvariante daher. Laufradgröße hin- oder her: Auf den verschiedensten Trails soll das Bike mit Shimano Steps E8000 Motor bestehen. Beigepackt sind eine abfahrtstaugliche Geometrie und E-Bike spezifische Komponenten, um für alle Fälle gerüstet zu sein.

 Je öfter ich das E-Trailster den Berg hinunterjagte, desto mehr war ich von dessen Fähigkeiten überrascht.  

Aus dem Testpiloten-Alltag ...
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Der Rahmen

Optisch gefallen die klaren Linien und eckigen Konturen des Rahmens aus 6061 Ultra Lite Aluminium. Das massive quadratische Unterrohr bringt zusätzliche Steifigkeit ins Fahrwerk und bindet den Motor praktisch in einem Guss ins Gesamtbild mit ein. Dazu passt auch der glasfaserverstärkte Unterschutz des Motors, der gleichzeitig als Kabelführung agiert und damit die Wartung erleichtert.
Das Oberrohr ist tief hinuntergezogen, für bessere Beinfreiheit und ohne hässlichen Knick, wie es bei vielen E-Bike-Herstellern unglücklicherweise in Mode zu sein scheint. Etwas schöner hätten vielleicht die Rohre beim Ausfallende ausfallen können: Der Knick schafft möglicherweise Raum für die Kette, einen Schönheitswettbewerb gewinnt die sonst schnörkellose Linienführung damit aber nicht.

Cooles Detail: Ein Gummi-Anschlagschutz für die Federgabel ist smart am Unterrohr integriert und schont die Komponenten im Fall eines Sturzes.

Beim Design der Hinterbau-Kinematik spricht Bergamont vom Progressive Link System. Will heißen: Das Hebelverhältnis ist zu Beginn des Federwegs für feinfühliges Ansprechverhalten höher angesetzt und nimmt mit zunehmendem Federweg kontinuierlich ab. Das schafft guten Support im mittleren Federwegsbereich und hohe Progression am Ende des Federwegs, um vor Durchschlägen zu schützen - und lässt eine härtere Gangart durchaus zu.

Der Boost Nabenstandard mit 148 mm Breite gehört mittlerweile zum guten Ton und schafft zusätzliche Reifenfreiheit.

Elektronik

In puncto elektrischer Ausstattung gibt es beim Bergamont E-Trailster nicht viel Außergewöhnliches zu berichten. Zum Einsatz kommt Shimanos bewährter E8000 Motor mit 250 W und 36V. Gekoppelt ist er an das kleine anmutige Steps SC-E7000 Display mit den wichtigsten Informationen wie zum Beispiel Restakku, Reichweite oder Kadenz.

Eine 504 Wh Intube-Batterie füttert das Bike. Standard, über mehr Saft würde man sich aber auch nicht beschweren.

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Tech Specs

Rahmen: AL-6061 Ultra Lite 29"/27,5", 145 mm Federweg Kassette: Shimano SLX 11sp (11-46T)
Farbe: blue grey / black / yellow (matt) Kette: KMC X11e Turbo EPT
Antrieb: Shimano Steps E8000 Laufräder: Mavic E-Crossmax
Batterie: 504 Wh Reifen: Maxxis Minion DHF/DHR II 29x2,6 TR
Display: Shimano Steps SC-E7000 Steuersatz: Acros AZX-212
Gabel: FOX 36 Rhythm, 160mm, 15QR Vorbau: Syncros FL2.0, 50 mm
Dämpfer: FOX FLOAT DPS Performance Griffe: Ergon GA20
Kurbel: Shimano FC-E8000 Sattel: Ergon SM10 E-Mountain Sport
Lenker: Syncros FL2.0, 12 mm Riser, 760 mm Sattelstütze: Syncros 2.0, 120 mm
Bremse vorne: Shimano BR-MT520, 200mm Bremse hinten: Shimano BR-MT520, 200mm
Schalthebel: Shimano SLX Gewicht: 24,62 kg
Schaltwerk: Shimano XT 11sp Preis: € 4.999,- UVP

Komponenten

Federungstechnisch vertraut Bergamont auf Fox, die 36 Rhythm liefert 160 mm Federweg an der Front. 145 mm spendiert das Heck, gefedert von einem Float Performance Federelement mit EVOL-Luftkammer, Drei-Positionshebel und Trunnion-Aufnahme.

Die BR-MT520-Bremse ist rein technisch gesehen nicht Teil einer Serie von Shimano, wurde aber speziell für E-Bike-Zwecke geschaffen - mit abweichendem Bremszangen-Design im Vergleich zur Saint, Zee oder der XT 4-Kolben-Version, wohlgemerkt. Die Bremsbeläge sind allerdings die selben.

Das Cockpit setzt sich aus Syncros-Teilen zusammen. Auch die Teleskopstütze kommt aus dem Hause Syncros. Bei Rahmengröße S wird sie mit 120 mm Hub verbaut, bei allen anderen Größen, von denen noch M, L und XL erhältlich sind, sind 150 mm Standard.

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Geometrie

Rahmenhöhe: S M L XL
Sitzrohrlänge (mm): 400 440 470 515
Oberrohrlänge (mm): 569,5 589,6 614,2 645,2
Steuerrohrlänge (mm): 115 115 130 145
Kettenstrebenlänge (mm): 462 462 462 462
Lenkwinkel (°): 65 65,5 65,5 66
Sitzrohrwinkel (°): 75 75 75 75
Tretlagerabsenkung (mm): -30 -30 -30 -30
Radstand (mm): 1218,4 1238,2 1269,4 1300,1
Überstandshöhe (mm): 764,6 768 783 798
Stack (mm): 632,9 635,8 649,5 666,1
Reach (mm): 420 445 470 500

Geometrie

Ein flacher Lenkwinkel von 65 Grad beim Größe S-Rahmen lässt auf Downhill-Performance hoffen. Ob es nötig ist, dass der Lenkwinkel bei Größe M und L um ein halbes Grad steiler werden muss, bzw. bei XL nochmals um denselben Wert, sei dahingestellt. Zu vermuten ist, dass die Designer damit dem anwachsendem Radstand entgegenwirken wollen.
Unter dem Allerwertesten kommt ein 75 Grad Sitzwinkel zustande, der bleibt bei allen Größen gleich.

Ein Flip-Chip an der unteren Dämpferaufnahme erlaubt es, die Laufradgröße von 29" auf 27,5" umzustellen (mit zusätzlichem Wechsel der unteren Lagerschale am Steuersatz), ohne die Geometrie zu verändern.

Ein Reach von 420 mm (S) bei einer Oberrohrlänge von 580 mm werden dem Standard einer modernen Geometrie gerecht, als ausgefallen lang würde sie heutzutage auf alle Fälle niemand mehr bezeichnen. Je 25 bzw. 30 mm mehr werden es pro Größenschritt.
Eine Kettenstrebenlänge von 462 mm sind ein gute Wert für ein E-Bike, wobei sich sowieso gezeigt hat, dass das Wetteifern um die kürzesten Streben nicht unbedingt für ein ausgewogenes Fahrverhalten sorgt.
115 mm Länge misst das Steuerrohr. M teilt diesen Wert, L und XL legen mit 130 und 145 mm nochmals um einiges zu.

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E-kloa

Gestartet will das E-Bike erst einmal werden - womit wir bei einem meiner liebsten Themen hinsichtlich Shimano-Antrieb wären. Ich habe nämlich ein besonderes Händchen, den Fehlercode W013 auf das Display zu zaubern, und dann geht erst einmal gar nichts. Dabei handelt es sich um die Initialisierung des Drehmomentsensors. Warum dies Shimano als einziger E-Motoren-Hersteller beim Anstarten benötigt, ist mir ein Rätsel.
Fakt ist: startet man das Bike im Liegen, mit einem Fuß am Pedal, im Rollen oder generell bei leichter Bewegung, ist die Chance ziemlich groß, diese Fehlermeldung zu erhalten. Dann ist mehrmaliges An- und Ausschalten gefragt, und hoffen, dass die japanische Software ein Erbarmen mit einem hat.
Zur Vermeidung dieses Umstands am besten das Rad an die Wand lehnen und mit zartem Handgriff den Einschaltknopf betätigen. Gott bewahre, sollte sich das Bike nach einer Pause im Wald ausschalten, und sich einmal kein Baum zum Anlehnen in der Nähe befinden.

Zugegeben: Mittlerweile habe ich doch Übung darin, das Bike beim Einschalten sehr still zu halten und meine Erfolgsquote erhöht, losfahren zu dürfen.
Dennoch macht mich dieses Anti-Feature förmlich aggressiv. Vielleicht, weil ich schon einmal 20 Minuten lang versucht habe, ein Bike mit W013 Code zum Laufen zu bekommen; oder vielleicht, weil ich einfach nicht verstehen kann, dass ich im Jahr 2019 mit so einem idiotischen Software-Feature leben muss.

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Nachdem ich diese Nörgelei nun endlich einmal zu Papier bringen durfte, kann auch ich mich über die harmonische Kraftentfaltung von Shimanos E8000-Motor freuen. Im Boost-Modus lacht das Herz und die Beine agieren nur mehr als Statisten, bis die 25 km/h Grenze erreicht ist. Natürlich kann man aber selbst in diesem Modus ein ordentliches Workout absolvieren, will man wirklich in der schnellstmöglichen Zeit am Berggipfel ankommen.

Im Vergleich zu Boost liefert der Trail-Modus um einiges weniger Leistung und man findet sich oft in der Situation, dass Boost als akkusaugendes Monster keine Option auf längeren Touren ist, und Trail den Spaßfaktor etwas zu stark beschneidet. Ein extra Setting zwischen Trail und Boost wäre ideal, in der Realität kann man die Stufen individuell mittels App abstimmen.

Etwas mühsam: Der Akku ist nicht leicht aus dem Unterrohr zu entfernen. Dazu müsste man erst den vollständigen Schlagschutz, der mit vier Inbusschrauben befestigt ist, entfernen. Man sollte also möglichst über eine Steckdose direkt beim Standplatz des Bikes verfügen.
Seltsam platziert scheint darüber hinaus der Einschaltknopf auf der Unterseite des Unterrohrs zu sein, greift man doch ständig in eingetrockneten oder noch feuchten Gatsch. Abgesehen davon, dass es etwas Übung benötigt, um den kleinen Knopf überhaupt ertasten zu können. Das selbe gilt für die Ladebuchse, die sich knapp darüber befindet. Sie ist zwar gut mit einer fest verschließenden Gummikappe geschützt, sauber ist diese aber so gut wie nie. Auch die LED-Anzeige des Akkustandes wird man dort so schnell nicht ablesen können, aufgrund des Displays ist das aber auch egal.

Mud-Guard kann man übrigens keinen (oder zumindest keinen in normaler Größe) an der Gabel befestigen: solch einer schlägt bei stärkerer Ausnutzung des Federwegs mit einem lauten Knall an das fette Unterrohr, dass einem bange wird.

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Bergauf

Den Weg 'gen Gipfelkreuz mit einem E-Bike zu bestreiten, ist immer ein ermunterndes, ja manchmal sogar spaßiges Unterfangen. Mit dem Bergamont E-Trailster ist meistens letzteres der Fall. Ein Sitzwinkel von 75 Grad geht in Ordnung, um Druck auf die Pedale aufzubauen, und nicht nur auf die Motorunterstützung zu hoffen.
Dem Ergon SM10 E-Mountain Sport-Sattel gebührt besonderes Lob, sein hochgezogenes Heck gibt solide Unterstützung und selten war mein Allerwertester, auch nach etlichen Stunden im Sattel, entspannter.

Der Hinterbau arbeitet sehr feinfühlig und liefert stets Traktion, egal ob in Flachstücken oder unter starker Belastung. Die Idee, ihn sperren zu wollen, ist mir nur auf einem langen Asphaltstück hinauf zu einem Trail-Einstieg gekommen, und selbst dann mehr zur Belustigung denn aufgrund echter Notwendigkeit. Im Grunde genommen ist die dreifachen Positionseinstellung (Firm, Medium, Open) eine Option, die man nicht unbedingt auf dem E-Bike benötigt.

Ein prinzipiell lustiges Feature, aber im Endeffekt eine ziemliche Fehlkonstruktion, ist die Top Cap am Steuerrohr. Die spezielle Form schließt mit der Klemmung des Vorbaus plan ab. Das sieht schön aus, solange der Vorbau in höchster Position mit allen Spacern darunter sitzt. Bringt man den Vorbau niedriger (und setzt die Spacer oben darauf), entsteht eine scharfe Kante vom überstehenden Top Cap, die nicht nur unschön aussieht, sondern im dümmsten Fall ein Risiko für Knie oder andere Körperteile bei einem Sturz darstellt. Weg damit, wer seinen Vorbau niedriger setzen will.
Und den Vorbau niedriger zu setzen, ist keine schlechte Idee, um die Traktion des Vorderrades zu erhöhen. Schon alleine deswegen, weil das Steuerrohr beim Größe S Rahmen mit 115 mm etwas länger ausfällt.

Die Übersetzung mit 34 zu 46 Zähnen als größtem Gang ist eigentlich nicht ungewöhnlich bei einem E-Bike und liefert mir auch keinen Anhaltspunkt, warum dem Bike an absurd steilen Anstiegen (ich spreche hier von Trial-artigen Verhältnissen) etwas die Power zu fehlen scheint. Das habe ich von Konkurrenzbikes mit gleichem Motor anders in Erinnerung, aber es wäre ja nicht das erste Mal, dass mich mein Erinnerungsvermögen im Stich lässt.
Bleibt man in solcher (Hang-)Lage dann doch einmal hängen und muss zum Walk-Modus greifen, kann man auch genauso gut gleich unterstützungslos schieben, dieser ist nämlich leider ziemlich nutzlos. Theoretisch sollte er in einem härteren Gang mehr Kraft zum Anschieben in Schrittgeschwindigkeit entfalten (was beim Bergauffahren genau gar keinen Sinn macht. In einem richtigen Steilstück wiederum ist das Schalten mit einem E-Bike im Stillstand ziemlich mühsam). In der Realität ist es aber egal, welcher Gang eingelegt ist - das Bike schiebt sowieso im Walk-Modus nicht wirklich an und ruckelt abschnittsweise unmotiviert dahin.

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Positiv überrascht war ich von der Reichweite des Shimano-Setups. In einer gemeinsamen Ausfahrt mit Bosch CX-Kollegen (Modelljahr 2019) samt Piloten mit vergleichbarem Fahrergewicht und vergleichbaren Modi-Stellungen über die gesamte Distanz, zeigte sich das Bergamont deutlich genügsamer. 250 bis 350 Höhenmeter wären bei schonender Fahrweise vermutlich noch zusätzlich in dessen Batterie gesteckt.
Warum es Shimano trotzdem nicht möglich ist, die Rest-Akkuleistung in 10%-Schritten anzuzeigen (nur fünf Balken verleiten dann doch öfter zum Rätselraten, ob man noch eher 80 oder schon fast 95% ausgesaugt hat), bleibt offen; Allerdings schaffen das Bosch und andere auch nicht. Vermutlich vertrauen sie darauf, dass man ständig die Restreichweite am Display begutachtet (die dummerweise allerdings nach ein paar Minuten wieder zurück zur Geschwindigkeitsanzeige springt).

Einen Anfall von Übermut, einmal doch noch eine Extraschleife aus der bereits geschundenen Batterie mit nur einem Balken zu holen, bezahlte ich mit einem überraschend abrupten Ende: Von einer auf die andere Minute blinkte das Display und wechselte der Motor ins Off - eine brauchbare Vorwarnung sieht anders aus ...
Zum Umkehren hat das dennoch nicht animiert, die letzten paar hundert Höhenmeter wurden dann einfach ohne Motorunterstützung fertiggetreten und die lange Bergabpassage sowieso problemlos ohne Motorunterstützung bewältigt. Trotz knapp 25 kg mit Pedalen schlug sich das Bike dabei gar nicht so schlecht.

Die Montagepunkte für einen Flaschenhalter sind leider mehr Show als funktionell - außer, man möchte eine kleine Cola-Dose mitführen, die passt von der Länge her in den Rahmen. Selbst eine kleine reguläre Trinkflasche lässt sich zumindest beim Größe S-Rahmen nicht ins Rahmendreieck zwängen. Zusatz-Features wie Werkzeug lässt sich allerdings montieren.

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Bergab

Je öfter ich das E-Trailster den Berg hinunterjagte, desto mehr war ich von dessen Fähigkeiten überrascht. Laufruhig und zielsicher lässt es sich über Steinfelder jagen und mit der richtigen Technik zieht es um Kurven wie auf Schienen. Dazu will es aber in starke Schräglage gebracht werden - ab einem gewissen Winkel scheint der Schwerpunkt automatisch in die richtige Richtung zu kippen und man kann sich auf Geometrie und die bissigen Seitenstollen der Maxxis-Reifen verlassen, um sauber durch die Kurve zu jagen.
Selbst in eng aufeinander folgenden Anliegern ist der Spaßfaktor enorm, und zeitweise hätte ich schwören können, dass mich das Extra-Gewicht der Motor-Batterie-Einheit mit seiner stabilisierenden Wirkung satter am Trail liegen ließ und ich zeitweise deutlich mehr Schwung auf flowigen Abschnitten mitnehmen konnte, als auf einem Bio-Bike.

Mit niedriger Überstandshöhe und flachem Oberrohr ist gute Bewegungsfreiheit gegeben. Liegt das E-Trailster beim Springen ausgewogen in der Luft, sträuben sich das Gewicht und die durch ihre Rotationskraft stabilisierenden 29" Laufräder etwas dagegen, großartig Style in die Flugphase einzubauen.

Sollte das Heck bei größeren Hindernissen und härteren Schlägen aufsteigen, hilft es, den Rebound am Hinterbau etwas langsamer als gewohnt abzustimmen.

Hinkt einmal die korrekte Körperposition dem Einsteuern hinterher, wird dies - wie auch bei anderen E-Bikes - recht schnell bestraft: Die Kurvenfahrt wird durch das Extra-Gewicht des Bikes zum Eiertanz in eher aufrechter Position. Unterstützt, oder sogar mitverursacht wird diese Eigenschaft vermutlich durch das eher mittelmäßige Gesamtgewicht. Für einen Aluminium-Rahmen und in dieser Preisklasse tanzt das E-Trailster Expert 29 zwar nicht wirklich aus der Reihe, ein paar Konkurrenten schaffen es aber dennoch etwas besser, Pfunde am einen oder anderen Eck einzusparen.

Der 65 Grad Lenkwinkel hilft, das vermittelte Sicherheitsgefühl enorm hoch zu halten, träge wirkt das Bike in engen Passagen aber dennoch nicht. Der Einschlagwinkel ist trotz Gabelanschlag sehr hoch.Im Normalbetrieb wird man vermutlich nie davon eingeschränkt werden. Im Fall einer sehr engen Spitzkehre muss sowieso das Heck versetzt werden.

Positiv überraschend ist, dass die Balance von Vorder- und Hinterradfederung trotz 15 mm Unterschied im Federweg nicht gravierend ins Gewicht fällt. Das Heck fühlt sich nur selten überfordert an, und selbst wenn einmal ein höherer Drop bei hoher Geschwindigkeit das Hinterbauelement ans Ende seines Hubs bringt, dringt der Schlag zwar durchaus härter an die Beine durch, kommt aber nie das Gefühl auf, dass das Bike kurz vor dem Auseinanderbrechen stehe, oder die Abstimmung des Hinterbauelements nach großem Tuning verlange. Im Gegenteil: Es ist faszinierend, wieviel Performance das kleine Fox DPS-Element auch in unwegsamem Gelände gewillt ist, zu liefern. Ein großes Lob geht hier an die Entwickler, die mit dem Setup der Federkennlinie und des Hebelverhältnisses (niedriger Durchschnittswert von 2,63 : 1, degressive Kurve) solide Arbeit geleistet haben.

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Grip-Dämpfung an der Front ist eines meiner liebsten Systeme: Mit unglaublich feinfühliger Performance und exzellentem Schluckvermögen über den gesamten Federweg, braucht es nicht übermäßig viele Setup-Optionen, um ordentlich Gas geben zu können.
Lautet mein genereller Tipp bei Grip-Dämpfungssystem, wie es bei der Fox 36 Rhythm zum Einsatz kommt, den Kompressionshebel um ein Drittel zu schließen, um die verstärkte Tauchbewegung vom Gewicht des E-Bikes zu kompensieren, bin ich zu dem Schluss gekommen, auf Strecken mit Wurzelteppichen oder in Geröllfeldern dennoch mit komplett offenem Kompressionshebel zu fahren, um für mehr Ruhe an der Front zu sorgen. Und mehr Ruhe führt am Ende des Tages zu mehr Kontrolle, schnelleren Zeiten bergab und nicht zuletzt geschonten Händen. Rauscht man dennoch zu leicht durch den Federweg, helfen Volumen-Spacer, die für etwas mehr Gegendruck im mittleren Bereich und höhere Progression sorgen.

Die Mischung aus 29" Laufrädern und fetten 2,6" Schlappen steht dem E-Trailster exzellent, vor allem deswegen, da die Reifen - anders als die noch weitaus voluminöseren 2,8" Plus-Varianten - ein durchaus definiertes Steuerverhalten an den Tag legen, aber dennoch massenhaft Grip austeilen.
Ein Teil davon ist sicher der hervorragenden Maxxis Minion DHF/DHR II Kombo zuzuschreiben, selbst wenn sie, wie beim Expert 29, nur in Dual Compound Mischung eingesetzt sind. Das heißt: Solange der Untergrund trocken ist. Bei schmierigen Wurzeln oder glatten angefeuchteten Steinen können sie ihren 3C-Pendants nämlich nicht das Wasser reichen und verlieren früher an Grip.
Durch den Einsatz der härteren Gummimischung am Heck wird natürlich auch der höheren Beanspruchung durch die Motorunterstützung entgegengewirkt und die Lebensdauer erhöht; zumindest an der Front hielte ich dennoch die weichere Gummimischung für die bessere Wahl, um ein sicheres Biken in sämtlichen Fahrsituationen zu ermöglichen.

Trotz allen Lobes dürfte der Lenker aber ruhig um einiges breiter ausfallen. 760 mm schränken in dieser Bike-Kategorie einige Piloten, gerade bei einem schwereren E-Bike, ein - und erscheinen eigentlich alles andere als zeitgemäß. Einen breiten Lenker bei Bedarf abzuschneiden ist immer noch die bessere Alternative, als nicht anstückeln zu können.

Zu einer meiner größten Überraschungen zählte eine Auswertung auf Strava, in der ich auf einer eher technischen Strecke, mit einer Mischung aus flowigen engen Kurven und eher technischem Terrain mit Steilstufen und losem Geröll eine Zeit mit meinem regulären Bike deutlich unterbot, und zwar im zweistelligen Sekundenbereich. Für mich ein deutliches Zeichen dafür, dass das E-Trailster auch dann überzeugt, wenn man ihm richtig die Sporten gibt. Nota bene: Ich hatte auf besagter Fahrt nicht das Gefühl, mich im unkontrollierten Grenzbereich zu bewegen.

Persönlich würde ich mir mit meiner Schrittlänge natürlich auch die längere Variante der Teleskopstütze wünschen, aber unter Rücksichtnahme auf kleinere Piloten geht die 120er Version in Ordnung. Abgesehen davon, tendiere ich mittlerweile sowieso zu eher längeren Bikes, und würde mittlerweile eher zu Größe M statt S greifen.

Hinsichtlich Bremsleistung kann man sich eigentlich nicht beschweren: Die Stopper verzögern artig, und nur auf langen Steilstücken verlieren sie etwas an Power - allerdings nie in einem Maß, dass einen in Bedrängnis bringen würde. 200 mm Discs vorne und hinten sind eine gute Wahl.

Trotz der nur 28 Speichen sind die spezifischen E-Bike-Laufräder von Mavic hart im Nehmen. Nur etwas breiter dürften die Felgen sein: 30 mm Innenbreite sind nicht schlecht, mehr Stabilität für einen 2,6"-Reifen bieten dennoch Felgen mit 32 bis 35 mm Innenbreite. Mavic spricht zwar von einer optimalen Felgenbreite passend für bis zu 3" Reifen - mit dieser Meinung stehen sie aber alleine da.

Feines Detail: die Ergon GA20-Griffe bieten guten Halt, erlauben einen passenden Winkel für die Armstellung und schonen dank ihrer ergonomischen Form die Hände.

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Fazit

Bergamont E-Trailster Expert 29
Modelljahr: 2019
Testdauer: 2 Monate / 520 km
Preis: € 4.999,00 UVP
+ potentes Fahrwerk
+ exzellentes Kurvenverhalten
+ optisches Gesamtbild
+ sicherheitsvermittelnde Geometrie
+ leistbarer Preis
+ Option für Umrüstung bzw. Wahl von 27,5"+ Modell
o mittelmäßiges Gewicht
o kleine Shimano Software-Macken
BB-Urteil: Unglaublich vielseitiges Trail-Geschoss mit Enduro-Ambitionen

Das E-Trailster mag sich als Trailbike betiteln, es braucht sich aber wahrlich vor keiner Enduro-Strecke zu fürchten. Neben den Haustrails unterstrichen ausgedehnte Runden in Nauders und Finale Ligure die exzellenten Allround-Eigenschaften des Bikes.

Das Gesamtgewicht bricht keine Rekorde, fällt aber in dieser Preisklasse auch nicht unangenehm auf. Einmal in die Kurve gelegt, zieht das E-Trailster unbeirrbar seinen Weg. Dabei kann das exzellente Suspension-Setup durchaus mit dem weitaus teurerer Federungs-Komponenten mithalten.
Generell vermittelt das E-Trailster viel Vertrauen, egal ob in schnellen Steinpassagen oder verwinkelten Singletrails durch den engen Wald.

Die Wahl der 29“ Laufräder mit 2,6“ breiter Reifenkombi von Maxxis ist ein Hit (selbst mit härterer Dual Compound-Gummimischung), auch oder besonders bei aggressiver Gangart. Wer dennoch lieber fette 27,5“ Plus-Schlappen vorzieht, kann einfach auf ein E-Trailster 27-Modell zurückgreifen.

Auch Shimanos E8000 Motor hat sich bereits vielfach bewährt. Mit ein paar kleinen Macken wie dem mühseligen Abstimmen des Drehmomentsensors beim Start oder unterdurchschnittlichen Walk-Modus muss man leben, aber bekommt dafür auch einen zuverlässigen Motor mit gutem Power-Output und leiser Funktion.

Es ist aber das stimmige Ganze, welches das E-Trailster so attraktiv gestaltet. Bis auf den Lenker, der zu schmal ist, scheint keine Komponente fehl am Platz. Ja, die Mavic-Felgen dürften ruhig etwas breiter sein, aber im Großen und Ganzen ist die Komponentenwahl durchdacht, haltbar und funktionell, ohne bei der Endabrechnung die Bank zu sprengen.



  • 2 Jahre später...

Welches MTB Ebike Fully, würdest du denn im Jahre 2022 als Gleich heranziehen, für den gleichen Preis? 

Gruß, Jörg 

 

P. S. Ich war in Gelsenkirchen bei Fahrrad Meinhövel und habe das Bergamont Probe gefahren. Für mich als Laien war der Lenker viel zu breit und zum Schalten mußte ich mein Handgelenk verdrehen und das tat weh bzw war unangenehm nach einiger Zeit. Und bzgl. Bordcomputer, da gibt es wohl ein Update für E-Automatik, sprich, der BC erkennt wie du in die Pedale trittst und schaltet dementsprechend in den richtigen Fahrmodus. Was sagst du dazu? 

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