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Trek Rail 9.9 AXS im Test

Trek Rail 9.9 AXS im Test

05.03.20 10:45 17.287Text: Ralf Hauser
Ralf Hauser
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Fotos: Erwin Haiden, NR22
Wie auf Schienen soll das Trek Rail 9.9 den Berg hinabrauschen. Und bergauf wird's wohl Boschs Gen. 4-Motor samt 625 Wh-Akku richten ... wir machten die Probe aufs Exempel.05.03.20 10:45 17.308

Trek Rail 9.9 AXS im Test

05.03.20 10:45 17.3086 Kommentare Ralf Hauser
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Erwin Haiden, NR22
Wie auf Schienen soll das Trek Rail 9.9 den Berg hinabrauschen. Und bergauf wird's wohl Boschs Gen. 4-Motor samt 625 Wh-Akku richten ... wir machten die Probe aufs Exempel.05.03.20 10:45 17.308

Mit 160 mm Federweg an der Front und 150 mm am Heck ist das Rail für Enduro-Einsätze bereit. Nachdem es das bisherige Powerfly größtenteils ablöst, will es aber auch für andere, tourenfreundlichere Kategorisierungen bestens gerüstet sein.

Auf 29"-Laufrädern rollend, kommen beim Topmodell 9.9 ein leichter Carbonrahmen, Highend-Teile aus dem Federungsaufgebot von RockShox und Srams brandaktuelle AXS-Schaltung zum Einsatz.

 In relativ kurzfristigen Schritten reift Treks E-Bike-Konzept zu einem ausgefuchsten Gesamtbild mit feinem Handling. 

Das Rail löst das Powerfly größtenteils ab
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Der Rahmen

OCLV Carbon, Treks über die Jahrzehnte perfektionierter, patentierter Carbonverarbeitungsprozess, vereint verschiedene Carbontypen und -anordnungen, um für das jeweils optimale Verhältnis von Nachgiebigkeit, Steifigkeit und Gewicht an den verschiedenen Stellen und damit Anforderungsprofilen des Rahmens zu sorgen.

Optisch ist das Rail auf alle Fälle ein großer Wurf: Fließende Linien, eine originelle Integration des Kiox Displays beim 9.9 am Oberrohr und der stilvoll integrierte Motor samt Akku treffen den Zahn der Zeit. Trek hat mit dem RIB-System (Removable Integrated Battery) die Batterie seitlich in das Hauptrohr integriert. Mittels Schlüsseldrehung klappt der Akku aus dem Rahmen und ein Griff kommt zum Vorschein, welcher als sekundärer Verschluss dient. Nach vollständiger Entnahme kann der Akku an diesem ausgeklappten Haltegriff getragen werden. 

Der Rahmen verwendet ein Federelement mit 230 x 57,5 mm Einbaumaß, welches zu einem durchschnittlichen Hebelverhältnis von 2,6:1 führt.
Der Boost Nabenstandard gehört mittlerweile zum guten Ton. Nett ist allerdings, dass man den Bontrager-Hebel an der hinteren Steckachse bei Bedarf abziehen und als 5 mm Inbuswerkzeug verwenden kann. 
Verbaut ist außerdem ein Knock-Block Anschlagschutz im Steuersatz, zusätzlich finden sich zwei Gummianschläge für die Federgabel am Unterrohr - diese sind allerdings nur aufgeklebt. Die Ständeraufnahme an der linken Kettenstrebe scheint angesichts des Einsatzbereichs des Bikes für Puristen ein bisschen fehl am Platz, fällt aber im Endeffekt nicht großartig auf und ist schnell vergessen.

Das Bike ist in fünf unterschiedlichen Rahmenfarben erhältlich, vom Stealth-Look bis zum schrillen lilafarbenen Metallic-Hingucker ist alles möglich - selbstverständlich auch eine Custom-Lackierung in edlem Project One-Kleid

Tech Specs

Rahmen: OCLV Mountain Carbon, 150 mm Federweg, Boost 12 x 148 mm Reifen: Bontrager SE5 Team Issue, 29 x 2.6"
Dämpfer: RockShox Deluxe RT3 Sattelstütze: RockShox Reverb AXS, 170 mm
Gabel: RockShox Lyrik Ultimate 160 mm Sattel: Bontrager Arvada, 138 mm Breite
Gruppe: Sram AXS Eagle Lenker: Bontrager Line Pro, OCLV Carbon, 35mm, 780 mm Breite
Kurbel: e*thirteen E*spec Race, 34 Z Vorbau: Bontrager Line Pro 35 mm, 50 mm Länge
Bremse: Shimano XT M8120 Gewicht: 22,26 kg
Laufräder: Bontrager Line Carbon 30 Preis: € 10.999,-

Elektronik

Boschs neueste Version des Performance Line CX Motors ist nahtlos ins Gesamtbild eingebettet. Der Motor ist leichter und um ca. 50 Prozent kleiner als sein Vorgänger, liefert dabei aber immer noch 75 Nm Drehmoment bei 250 Wh Leistung. Dank höherer Effizienz soll die Reichweite gesteigert worden sein, die hohe Kapazität des vollintegrierten 625 Wh Akkus hilft dabei naturgemäß.
Während die Reibungsverluste spürbar minimiert werden konnten, ist bei der Geräuschentwicklung der Gen. 4 noch Luft nach oben - vermutlich, weil die Frequenz bei hohen Umdrehungen relativ hoch ist und dementsprechend stärker wahrgenommen wird. Zwar nicht so stark, dass kein Gewöhnungseffekt einsetzen würde, aber erwähnenswert ist der Geräuschpegel doch.
Der Akku kann im Rahmen über einen Ladeport oberhalb des Motors geladen werden (schmutzgeschützt durch eine Klappe), oder - nach Herausnehmen des Akkus - an einem Ladeport am Akku selbst.

Beim Topmodell ist Boschs neuer Kiox-Controller verbaut. Dieser ist beim Rail auf der Oberseite des Oberrohrs nahe des Steuerrohrs in einer Halterung montiert. Nur die Kabelverlegung vom Kiox-Controller in den Rahmen hinein hätte schöner gelöst werden können. Vermutlich hat man sich für den Weg durch die seitliche Kabelführungsöffnung statt separatem Eingang oben entschlossen, da das 9.9 das einzige Modell mit Kiox-Display ist und die übrigen Carbonmodelle sodann mit einem ungenützten Loch im Rahmen leben müssten.
Der Kiox-Controller mit farbigem Display liefert alle essenziellen Daten, über die man an modernen E-Bikes gerne Bescheid wissen möchte, inklusive Trittfrequenz, Krafteinwirkung des Fahrers und - bei Verbindung eines Brustgurtes - Herzfrequenz. Ein großes Dankeschön auch an die Entwickler, die Restakkuleistung in Prozent darzustellen. Einzig die Gesamtkilometer sucht man vergeblich. Über Bluetooth lassen sich zusätzlich kompatible Geräte verbinden.

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Wir haben uns mit der Bosch-App - über die man sich via Bluetooth mit dem Bike verbinden kann - ein wenig gespielt, Einstellungen am Motor lassen sich damit aber nicht erzielen. Wer kein Navigationsgerät besitzt, kann die App allerdings zum Aufzeichnen von Routen verwenden.
Die digitale Zusatzfunktion Lock kann man über die App dazukaufen; zieht man dann das Kiox-Display ab, lässt das Bike keine Motorunterstützung ohne dieses exakte Display mehr zu - es handelt sich also um einen Diebstahlsschutz.

Über eine Bedieneinheit am Lenker kann man mittels vertikal angeordneter Tasten sowohl den Unterstützungsmodus wählen als auch mit kleineren horizontalen Tasten durch unterschiedliche Ansichten des Displays schalten.

Geometrie

Größe: S M L XL
Sitzrohrlänge (mm): 410 420 450 500
Oberrohrlänge (mm): 587/588 611/613 633/634 665/666
Steuerrohrlänge (mm): 105 105 110 120
Lenkwinkel (°): 64,9/64,5 64,9/64,5 64,9/64,5 64,9/64,5
Sitzwinkel (°): 75/74,6 75/74,6 75/74,6 75/74,6
Kettenstrebenlänge (mm): 447/448 447/448 447/448 447/448
Radstand (mm): 1195/1196 1220/1221 1243/1243 1277/1277
Stack (mm): 623/626 622/626 627/630 636/639
Reach (mm): 425/420 450/445 470/465 499/495
STR: 1,466/1,49 1,382/1,406 1,334/1,354 1,275/1,291
Vorbaulänge (mm): 50 50 50 50
Lenkerbreite (mm): 780 780 780 780
Trail (mm): 127/131 127/131 127/131 127/131
Lenkerbreite zu Trail: 0,163/0,168 0,163/0,168 0,163/0,168 0,163/0,168
Laufradgröße: 29" 29" 29" 29"

Geometrie

Generell ist die Geometrie des Rail abfahrtsorientiert ausgelegt. Mit relativ steilem Sitzwinkel und modern langem Reach ist das Bike aber auch für Uphills gut gewappnet.

Das Mino Link, eine Art Flip Chip am Ende der Sitzstreben, erlaubt eine Feinanpassung der Geometrie um 0,5 Grad, bzw. ändert sich die Tretlagerhöhe um ungefähr 6 mm. In der flachen Stellung beträgt der Lenkwinkel 64,5 Grad und der effektive Sitzwinkel 77 Grad (gemessen in einer horizontalen Linie von Mitte Oberseite Steuerlager zu Mitte Sattelstütze), die Tretlagerhöhe 339 mm. Der Reach des getesteten Größe L Rahmens misst 465 mm (S: 425, M: 445 mm, XL: 495 mm), in der steileren Geometrie-Stellung wächst dieser um ca. 5 mm.

Beim Gabeloffset wurde die kurze 42 mm-Version der RockShox Lyrik gewählt. Durch die Bank ist ein Vorbau mit 50 mm Länge verbaut. Die Kettenstrebenlänge misst moderate 447 mm, was beim Größe L-Rahmen zu einem Radstand von 1.243 mm Länge führt.
Die Sitzrohrlänge ist bei allen Rahmengrößen relativ niedrig, erlaubt also auch kleineren Fahrern bei Bedarf den Griff zum Rahmen mit längerem Reach. Insgesamt sind vier Rahmengrößen, von S bis XL, im Programm.

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Komponenten

Am Rail 9.9 kommen nur die feinsten Komponenten zum Einsatz. Srams AXS Eagle übernimmt präzise kabellose Schaltvorgänge, und auch bei der RockShox AXS Teleskopstütze mit 170 mm Drop vertraut man auf die selbe Technologie.

Ebenso stammt die Federung aus dem Hause RockShox. Die Lyrik Ultimate mit Charger 2.1 RC2-Dämpfung, DebonAir-Luftfeder und 160 mm Federweg ist für E-MTBs optimiert. Das RockShox Deluxe RT3 Hinterbauelement verfügt über Treks eigenentwickelte RE:aktiv-Dämfung mit Thru Shaft, die beim Pedalieren und in Kurven hart und unterstützend wirken soll, im ruppigen Gelände aber unverzüglich geschmeidig und nachgiebig genug ist, um plötzliche Schläge abzufangen.

Bei vielen Komponenten vertraut man auf hauseigene Bontrager-Parts wie Vorbau (Line Pro mit 50 mm Länge und 35 mm Klemmung), Lenker (Line Pro mit 780 mm Breite), 29 x 2,6" Reifen (SE5 Team Issue) und auch Laufräder. Die Bontrager Line Carbon 30 Felgen sind Tubeless-Ready, hinten wird eine Nabe mit 54-verzahnter Rapid Drive-Technologie für schnellen Kraftschluss verwendet
Fürs Bremsen kommt Shimanos neueste Version der Vierkolben XT-Anker mit 200 mm Scheiben vorne und hinten zum Einsatz. Eine e*thirteen Kettenführung stellt sicher, dass die Kette auch im ruppigen Gelände am Kettenblatt bleibt.

Alternativ gibt es auch das Rail 9.9 XTR, welches dann mit Shimanos Topgruppe ausgestattet ist.
Insgesamt sind mit dem Rail 9.8 (XT oder Sram GX Eagle) und 9.7 noch zwei weitere Carbon-Varianten erhältlich, mit dem Rail 9, 7 und 5 drei Alurahmen. Außer dem sündteuren 9.9 um € 10.999,- verfügt allerdings keines der Bikes über ein Bosch Kiox-Display, sondern nur über das Purion-Display, integriert mit der Lenker-Bedieneinheit.

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Im Gemüse

Powerhouse

Mit Anschalten der Kiox-Einheit wird gleichzeitig auch dem Motor elektrisches Leben eingehaucht. Der Startvorgang dauert nur wenige Sekunden und das Rail ist ohne Verzögerung sofort einsatzbereit.
Bereits mit dem ersten Antritt wird klar, dass der neue Gen 4 Performance CX-Motor eine kräftige Evolution gegenüber seinem Vorgänger ist. Butterweich ist die Kraftentfaltung, selbst im Turbo-Modus, was dazu führt, dass auch bei sehr langsamen Geschwindigkeiten die Kraft des Motors perfekt auf den Untergrund übertragen werden kann, wenn man sanft in die Pedale tritt. Besonders beim Anstarten in steilerem Gelände ein nicht zu unterschätzender Vorteil, der dem Vorgängermodell um Welten voraus ist.
Generell setzt der neue Bosch-Motor Krafteinwirkungen vom Pedal sehr schnell um, was sich sowohl positiv, aber in kniffligen oder rutschigen Passagen auch negativ auswirken kann, wenn man doch einmal zu beherzt in die Pedale tritt und das Hinterrad motiviert durchdreht.

Erreicht man Geschwindigkeiten über 25 km/h, entkoppelt der Motor nun komplett und auf nahtlose Art und Weise. Damit ist ein ehemaliger durchaus großer Nachteil von Bosch gegenüber anderen Systemen ad acta gelegt.
Die Platzierung der Kiox-Einheit am Oberrohr ist eine der besseren Lösungen, die wir bis jetzt gesehen haben. Zwar muss man den Blick während der Fahrt eine Spur tiefer lenken als bei einer Lenker-Montage, dafür ist es besser geschützt und sieht optisch ansprechender aus.
Die Positionierung der Lenkerbedienung zwischen Bremshebel und Bedieneinheit der Sattelstütze kann etwas eng werden, um alle Hebel einfach vom Griff aus mit dem Daumen zu erreichen, ist aber akzeptabel.

Mit völlig weißer Weste kommt Boschs neueste Motorenversion dann allerdings doch nicht davon. Nach längerer Suche aufgrund mysteriöser Geräuschentwicklung am Bike und Recherche stellte sich heraus, dass ein nerviges Klappern, nicht unähnlich dem eines stärkeren Kettenschlagens an unserem Rail, vom Motor erzeugt wird.

Wir haben nachgefragt und von Bosch folgende Erklärung erhalten: „Bei eBikes und eMTBs kann es beim Überfahren von Holperstrecken, flachen Treppen, Wurzelteppichen etc. mit dazu passender Geschwindigkeit und ohne dabei zu treten, durch die Erschütterungen zur Anregung von Schwingungen von Kette und Kettenblatt kommen. Diese Schwingungen übertragen sich je nach eBike (Hard Tail, Fully), Schaltung, Rahmen (Alu, Carbon) auf die Antriebswelle und von da an die inneren Getriebe-Zahnräder. Im ungünstigen Fall kann es bei „Spiel“ (oder „Lose“) zwischen den Zahnrädern und passender Anregung von außen zu einem metallisch klingenden Geräusch kommen.

Dieses Phänomen haben wir an verschiedenen Mittelmotorantrieben von Bosch und von Mitbewerbern erzeugen können. Der neue CX ist hier möglicherweise etwas empfindlicher, das Geräusch ist eventuell etwas lauter und es klingt etwas heller als bei anderen Antrieben. Der CX ist ausgelegt mit hoher Leistungsdichte, einem hocheffizienten Getriebe und besonders leichtgängigen Zahnrädern. Gepaart mit einem geringen Gehäusegewicht, dünnen Wandungen und guter Wärmeabfuhr nach außen, können mechanische Geräusche auch eher nach außen dringen bzw. präsenter sein. Uns sind Leistungsdaten, Effizienz, gute Entwärmung und thermische Stabilität (also kein Derating) wichtiger.

In der Regel geht das Geräusch hinter dem Kettenschlagen oder sonstigen Fahrgeräusch des eMTB auf dem Trail unter. Wenn man das Phänomen und die Situation kennt, kann es reproduziert werden.
Das Geräusch hat keinen Einfluss auf Leistung, Funktionalität und Zuverlässigkeit.
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Bergauf

Bei der Abstimmung des Federwegs hilft Trek mittels eigenem Fahrwerkskalkulator auf der Firmen-Website. Die ausgespuckten Werte erwiesen sich als durchaus brauchbar, auch wenn der Sag mit dem angegebenen Luftdruck etwas höher ausfiel als behauptet. Wir starteten dennoch mit 35 % am Heck, die sich bis zu einer gewissen Geschwindigkeit als überaus komfortabel und ausgewogen erwiesen.
Im Vergleich zu den ultralangen Kettenstreben von Treks Powerfly-Vorgängern sind diese am Rail mit 447 mm und 29" fast schon auf ein kurzes Maß geschrumpft. Der Kletterfähigkeit schadet das aber nur wenig, dem Gesamthandling verhilft es zu einer höheren Balance und Spritzigkeit.
Das Gesamtgewicht von 22,26 kg (mit Schläuchen, ohne Pedale) hat auf die generellen Fahreigenschaften des Bikes überraschend wenig Einfluss; es folgt willig Gewichtsverlagerungen und Lenkbewegungen des Fahrers.

Misst man den Sitzwinkel am Punkt, wo sich eine horizontale Linie zwischen Mitte Steuerrohr und Sattelstütze treffen, ergeben sich steile 77 Grad. Durch den Trek-typischen starken Knick im Sattelrohr (dessen Sinnhaftigkeit nur schwer nachzuvollziehen ist) wird der Sitzwinkel flacher, je weiter die Sattelstütze aus dem Rahmen gezogen wird. In unserem Fall resultierte dies in einem Sitzwinkel von 75,5 Grad, bei einer für einen Large-Rahmen kleinen Körpergroße von 168 cm. Ein Wert, der in puncto Treteffizienz in Ordnung geht. Bevorzugt man richtig steile, moderne Winkel (oder folgt den Trek-Richtwerten zur Rahmengröße, wodurch sich der Winkel durch deutlich mehr Sattelauszug weiter abflacht), dürfte aber ruhig noch nachgelegt werden.

Die Effizienz und Reichweite des neuen Bosch-Motors in Kombination mit dem 625 Wh-Akku ist beeindruckend. Auf einer Ausfahrt konnten wir eruieren, dass das Rail mit einem Konkurrenz-Bike mit etwas höherem Gesamtgewicht und Motor eines anderen Herstellers mit 700 Wh-Akku prozentgenau mithalten konnte.
Dieser Umstand lud dazu ein, oftmals lange Zeit im Turbo-Modus zu verharren, einfach, weil der Spaßfaktor unübertroffen ist und sich an den meisten Tagen viel Trail in wenig Zeit stopfen ließ. Mit einem geringen Fahrergewicht waren bei ausschließlichem Betrieb im Turbo-Modus, je nach Terrain, Distanzen zwischen 1.900 und 2.100 Höhenmetern möglich. Für einen Fahrer mit 75 bis 80 kg Gewicht muss man ungefähr 20 bis 25 % dieser Werte abziehen. Mixt man Eco und Trail dazu, oder weicht ganz darauf aus, erhöht sich diese Reichweite natürlich merkbar, womit sich das Rail auch für wirklich ausgedehnte Touren im Hinterland bestens eignet.

Überhaupt ist das Rail nicht unbedingt als übertrieben abfahrtslastiges Bike zu sehen (obwohl es diesbezüglich keine Abstriche macht). Keines der Geometrie- und Fahrwerks-Features wirkt sich negativ auf das ausbalancierte Fahrverhalten aus, selbst der Lenkwinkel nicht, der zahlreiche Fahrer auf den ersten Blick abschrecken könnte. Sollte er sich wirklich als zu flach erweisen, macht die 0,5-Grad Winkelverstellung des Mino Links einen kleinen, aber feinen Unterschied.

Das Gefühl, die Dämpferplattform am Hinterbauelement betätigen zu müssen, kam nie auf. Die Federung bahnt sich effizient und ohne viel Wippen den Weg, egal, ob auf sanften Forststraßen oder in steilen wurzelbesetzten Kletterpassagen. Letztere lassen sich ohne Aufbäumen übrigens bestens bezwingen.
Nur Tretbewegung im felsigen Gelände muss man aufgrund der geringen Tretlagerhöhe etwas vorausplanen, um nicht ungewollt mit der Kurbel aufzuschlagen.

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Bergab

Es dauert eine Zeitlang, bis die Federelemente richtig eingefahren sind und vor allem die RockShox Lyrik-Federgabel ihre Sensibilität freigibt. Dann heißt es aber Bremsen auf und rein ins Vergnügen.

Gibt man dem Rail kräftig die Sporen und nimmt der Trail geröllfeldartige Züge an, hilft es, dem Bike zusätzliche Progression zu verleihen. Der Einbau eines extra Volumen-Spacers an der Gabel war schnell erledigt, auch schon deshalb, weil extra Volumen-Spacer für die Federgabel im Lieferumfang des Bikes enthalten sind. Ergänzend erhielt das leicht erreichbare Rändelrad auf der Krone der Federgabel bei motivierten Drop-und Sprungeinlagen ein paar extra Drehungen der High-Speed Kompressionsverstellung.
Am Hinterbau wäre der Progressions-Boost mit mehr Aufwand auch möglich und ratsam gewesen, im Endeffekt begnügten wir uns aber mit zusätzlichem Luftdruck, um Durchschläge zu vermeiden. Das ging zwar aufgrund der Reduktion des Sags auf ca. 25% etwas Zulasten der Feinfühligkeit, aber nicht in einem Ausmaß, der das Handling spürbar negativ beeinflusst hätte. Bei längerer Nutzung des Bikes hätten wir diesen Umbau aber ebenfalls vorgenommen.

Egal, ob mit mehr oder weniger Progression: Man kann das Trek Rail allzeit zielsicher den Berg hinunterjagen. Trek-typisch, gibt es einfach keine unangenehmen Überraschungen im Handling des Bikes, weder bei der Geometrie, noch bei der Federung. Im Gegenteil: Die über die Jahre bei den meisten Modellen von Trek - auch bei den E-Bikes - erfolgte graduelle Abflachung des Lenkwinkels samt Anwachsen des Reachs vermitteln ein wohlig warmes Gefühl in der Sicherfühl-Magengegend, wenn man sich von einem Anlieger in den nächsten schmeißt oder die Reifen in eine hängende Kurve gräbt. Ja, das Rail liegt mit seinem niedrigen Tretlager und tief zentriertem Motorgewicht, wie der Name des Bikes schon verrät, wie auf Schienen.
Inwieweit die patentierte Re:aktiv-Technologie der Hinterradfederung zu diesem Gesamteindruck beiträgt, ist schwer zu beurteilen, das Resultat sorgt allerdings für exzellente Traktion ohne unangenehme Nebenwirkungen.

Pingeligen Naturen erscheint die Dämpfung des Hinterbauelemets RockShox-typisch besonders für leichte Fahrer etwas langsam und überdämpft; für satte Traktion am Trail ist sie aber gerade richtig. Leichtere Personen, die sich etwas mehr Pop wünschen, werden aber wohl nicht über interne Änderungen hinwegkommen. Persönlich sahen wir keinen Grund für Handlungsbedarf.

 Das Rail liegt mit seinem niedrigen Tretlager und tief zentriertem Motorgewicht wie auf Schienen. 

Nomen est Omen
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Die Kettenstrebenlänge harmoniert gut mit dem Reach des Bikes und platziert den Fahrer zentriert im Rahmen. Über die letzten Monate ist uns die Wichtigkeit des Zusammenspiels von Front- und Rear Center immer öfter bewusst geworden, und die Balance des Rails ist ein Zeuge davon.
Die 29" Laufräder sind wohl zeitgemäß und stehen dem Bike in puncto Traktion und Fahrverhalten gut zu Gesicht, nur bei extrem technischen Steilstücken ist es kleineren Piloten erlaubt, ein früheres Streifen am Reifen mit dem Allerwertesten zu kritisieren.

Weil wir gerade von Steilstücken reden: Auch, wenn es vielleicht mit vergleichbarer Ausstattung ein paar auserlesene leichtere Konkurrenten gibt, reichen die gut 22 kg in Verbindung mit der ausgeklügelten Geometrie aus, dass das Bike nicht unangenehm in Kurven schiebt.

Die Funktion des Knock-Block Anschlagschutzes im Steuerlager, nämlich den Rahmen samt Akku im Unterrohr im Fall eines Sturzes vor Schäden eines sich zu weit drehenden Lenkers zu schützen, hat zweifelsfrei ihren Sinn. Der metallische Anschlag in Spitzkehren oder Balance-Aktionen ist jedoch etwas nervig und gewöhnungsbedürftig.
Auf das Gimmick zu verzichten, ist nicht ganz einfach, da der im Rahmen eingebettete Anschlagspacer auch als Unterlage für die Aufnahme des Kiox-Displays fungiert. Wechselt man auf einen Vorbau eines anderen Herstellers (ohne Nut auf der Unterseite, die mit den speziellen Rasterungen der Spacer einhergeht), nimmt man den Anschlag in abgeschwächter Form wahr, kann dann aber den Lenker trotzdem weiterdrehen.

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Komponenten

Ab einer gewissen Preisklasse braucht man nicht nach Komponenten zu suchen, die komplett aus der Rolle fallen, sondern muss man Exzellenz mit Exzellenz vergleichen.
Srams kabellose AXS ist ohne Frage ein schalttechnisches Highlight, dass auch über Monate hinweg dieselbe flinke Schaltpräzision an den Tag legt. Keine versifften Kabel, die es zu wechseln gilt, machen elektronische Schaltungen begehrenswert. Im Fall der AXS muss sogar überhaupt nie ein Kabel eingezogen werden.
Einzig beim gleichzeitigen Überspringen mehrerer Gänge (Halten der Taste) sollte man unter Last achtsam sein bzw. derlei Manöver besser vermeiden. Auch ein vorsichtiges Schalten durch langsames Drücken der Trigger, wie es mit mechanischer Version möglich ist, gibt es nicht. Durch die präzise Platzierung der Kette scheint die AXS auf einem E-Bike auf diese Schaltart aber auch nicht angewiesen zu sein - während des Test gab es keinerlei Probleme zu vermelden.
Nur die Akkus haben wir öfter aufgeladen, als ursprünglich gedacht. Wir sprechen aber von mehreren Wochen intensiver Nutzung, und die Vorwarnung erfolgt mit genug Restenergie in Tank, also gibt es diesbezüglich nur wenig zu fürchten.

Shimanos letzte Version der Vierkolben-XT-Bremse verrichtet selbst am E-Bike hervorragende Dienste. Großartig zu dosieren, progressiver Kraftaufbau und während unserer Testperiode ohne nennenswerte Druckpunktwanderungen.
Als Komfort-Horror für unsere Hintern hat sich der Bontrager Arvada Sattel entpuppt, aber bekanntlich sind solcherlei Komponenten individuell sehr spezifisch zu bewerten.

Carbonfelgen drücken das Gewicht und können die Fahreigenschaften eines Bikes positiv beeinflussen. So wie jedes Teil brechen kann, ist leider auch die hintere Felge diesem Test zum Opfer gefallen. Bei relativ niedrigem Luftdruck konnte auch ein Reifeninsert im Hinterrad einen vermutlich spitzen Felsen nicht davon abhalten, der Felge einen fatalen Bruch zuzufügen.
Obwohl man nicht von einem Fahrfehler oder unsachgemäßer Beanspruchung reden kann, sind solche Schäden wohl nicht vollständig vermeidbar, und auch eine Alufelge hätte den Kontakt mit ziemlicher Sicherheit zumindest nicht schadlos überstanden. Ob der Schaden, wie bei Bontragers Carbonfelge, fatal ausgefallen wäre, ist eine andere Geschichte.

Glücklicherweise können Kunden in ähnlichen Situationen mit Hilfe eines autorisierten Trek-Händlers das Bontrager Carbon Care Wheel Loyalty-Programm in Anspruch nehmen. Erstkäufern eines Bontrager Carbon-Laufradsatzes (auch im Paket mit einem Trek Komplettrad) wird eine lebenslange Garantie gewährt. Nach Ablauf von zwei Jahren (nach Erstkaufdatum) wird ein weiterführender Schutz angeboten, der erhebliche Preisnachlässe (abhängig vom Laufradmodell) für die Reparatur oder den Ersatz eines beschädigten Bontrager-Carbonlaufrads gewährt.
Unser hinteres Laufrad wurde unkompliziert und relativ schnell mit neuer Felge repariert.

Bontragers SE5-Reifen sind richtig gute Allrounder und können mit den besten Konkurrenten durchaus mithalten. Vielleicht verfügen sie über einen Tick weniger Grip unter nassen Bedingungen als die Klassenbesten, aber alles im grünen Bereich.
Der Weggang Treks von 27,5" Plus-Reifen zu schmäleren und größeren 29 x 2,6" Pneus sorgt für erhöhtes Feedback und mehr Definition im Fahrverhalten.

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Fazit

Trek Rail 9.9
Modelljahr: 2020
Testdauer: 4 Monate / 600 km
Preis: € 10.999,- UVP
+ Motor und Motorsteuerung
+ 620 Wh Akku
+ Schluckfreudiges Fahrwerk
+ Akkuentnahme-System
+ Geometrie
o Motorgeräusch
o Felgenbruch, aber Garantieprogramm
- Freilauf des Kettenblatts klappert bei Nichtbelastung
- Preis
BB-Urteil: Ausgeklügeltes Bike für Trails aller Art und ein breites Fahrerspektrum.

In relativ kurzfristigen Schritten reift Treks E-Bike-Konzept zu einem ausgefuchsten Gesamtbild mit vielseitigem Handling. Das recht leichte Trek Rail ist eine konsequente Weiterentwicklung und spricht mit seiner Geometrie nicht nur abfahrtshungrige Fahrer an. Der recht flache Lenkwinkel, gepaart mit niedrigem Tretlager und balancierter Position am Bike, bzw. die Gewichtsverteilung selbst, vermitteln viel Selbstvertrauen in jeder Lage und laden dazu ein, das Bike ungehindert rollen zu lassen. Passend dazu ist das Fahrwerk top, Speed-Freaks sollten lediglich überlegen, die Progression der Luftfederung zu erhöhen.

Die Integration des neuen Bosch Gen 4-Motors ist exzellent gelungen und der 625 Wh-Akku liefert auch auf langen Ausfahrten genügend Reserven. Das RIB-Feature, bei dem sich der Akku seitlich entnehmen lässt, ist wohl eine der besten Gesamtlösungen auf dem Markt.

Auch wenn es passieren kann, sollte man den Bruch der hinteren Carbonfelge nicht verheimlichen. Bontragers automatische Garantie für Erstbesitzer von Carbonfelgen macht sich in der Hinsicht auf alle Fälle bezahlt.

Wermutstropfen: Das 9.9 wird aufgrund seines Preises von € 10.999,– vermutlich nur einigen privilegierten Piloten vorbehalten bleiben. Das Modell darunter ist mit einem Startpreis von € 7.199,– immer noch kein Schnäppchen, darum dürfte man sich durchaus auch bei diesem Modell ein Kiox-Display erwarten.
Kiox, oder nicht, Carbon oder Alurahmen - zu welchem Modell vom Trek Rail man auch greift: Von den Fahreigenschaften wird man ziemlich sicher angetan sein!

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