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Meine Radreise nach St. Corona


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Grüß Euch Gott, liebe Boardies!

 

 

Die Sonne hing schräg am Himmel, weil sie schon schlafen gehen wollte,

 

ich hing schräg am Rad, weil hundemüde, als ich des schicken Blauuni-

 

formierten gewahr wurde, der wild mit den Armen wedelnd mich an der

 

Weiterfahrt hindern wollte.

 

Die Straße war verbarrikadiert, nur rechts vom Ortsschild "St. Corona"

 

erspähte ich noch einen Pfad für Unverpartnerte, einen Single Trail.

 

Mit der mir eigenen Schläue hatte ich wiedereinmal den Widrigkeiten

 

des Schicksals getrotzt und so klopfte ich mir mangels Partner selbst

 

auf die staubige Schulter und steuerte das nächste Wirtshaus an.

 

Es war barrierefrei und hieß "Fernblick", Doch hier im Gastraum war

 

von Fernblick keine Spur, denn hier schien jeder zu rauchen!

 

Sogar dem Hund des Hauses hing lässig eine Marlboro zwischen den

 

Lefzen. Eine Coronaparty!

 

Ich wurde keines Blickes gewürdigt, war quasi nicht vorhanden.

 

Mein Ich ging in der Permanenzhusterei und dem Geniese einfach

 

unter.

 

Neben dem uralten Kachelofen fand ich doch noch ein Plätzchen

 

und hustete und nieste mit den Eingeborenen um die Wette, was

 

mir nicht schwerfiel, hing doch mir vis-a-vis ein alter Ölschinken

 

an der Wand, der einige von Laienhand verbrochene blühende

 

Birken darstellte und meine Birkenpollenallergie zu voller Blüte

 

brachte.

 

Zur Begrüßung griffen sich die Gäste gegenseitig an die Stirne,

 

und, war die heiß genug, wurde man akzeptiert.

 

"Is eh ana von de Unsrigen", hörte man dann und so schlich

 

ich aufs WC und rieb mir mit der alten Häuslbürste die Stirne,

 

bis diese fast glühte.

 

Als dann der Kellner kam, um auch bei mir die Temperatur zu

 

prüfen, war er hochzufrieden. "Is eh ana von de Unsrigen",

 

schrie er und brachte mir schnurstracks ein Krügerl.

 

Als ich den Bürgermeister nach der Straßensperre frug,

 

erklärte er mir, dass sich St. Corona selbst unter Quarantäne

 

gestellt habe, um sich gegen die schädlichen Einflüsse der

 

Umgebung zu wappnen.

 

Die frenetische Tanzerei zur Blechmusik wurde nur unterbrochen,

 

wenn draußen wieder ein Leichenzug vorbeifuhr. Dann wurde

 

lautstark geklatscht und gemutmaßt, wen es denn jetztn wieda

 

dawischt habe. Mir versicherte man, "d`Weana eigentlich ned

 

zmegn, owa i sei scho a klassa Buasch"!

 

Dann wurde ich von den 100 Kilometern, der Tanzerei und den

 

10 Bieren doch ein wenig müde und ich fragte den Herbergsvater

 

nach einem freien Zimmer. Der Wirt zeigte nach oben und meinte:

 

"Suach da ans aus, san eh olle offn und waun scho ana drinliegt,

 

nocha legst di hoid dazua oda gehst in a aundas Zimma

 

Gesagt, getan. Ich schnappte mein Rad und schleppte uns in

 

den ersten Stock.

 

Gleich das erste Zimmer war belegt, aber das störte mich nicht,

 

ich legte mich dazu und büselte sofort weg.

 

Am nächsten Tag weckte mich mein eigener Husten, meinen

 

Schlafgenossen aber nicht, der hatte für immer ausgehustet.

 

Dann wollte ich zahlen, fand aber niemanden, es war im wahrsten

 

Sinne des Wortes, wie ausgestorben.

 

Also schnappte ich mir als Proviant für die Heimreise fünf Laugen-

 

brezen und radelte nach Wien, wo ich schon neun Stunden später

 

wieder einlangte.

 

Nachdem ich mir einen Salbeitee zubereitet hatte, wurde ich durch

 

ein Geräusch aus dem Vorzimmer, wo ich meinen Karbonhobel ge-

 

parkt hatte, neugierig. Ich hielt Nachschau und tatsächlich, mein

 

Rad hustete und schniefte zum Gotterbarmen.

 

"Ja" flüsterte ich mit milder Stimme, wie sie sonst nur Pfarrern

 

eigen ist, "für alles im Leben muss man zahlen, weil umsonst

 

ist der Tod und der kostet`s Leben.

 

Dann strich ich ihm mit zarter Hand sanft über`s Lenkerband.

 

Es grüßt Euch herzlich,

 

der

Hans

 

:wink:

 

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Sehr interessante Geschichte, hat mich in ihrer "morbiden" Skurrilität an H.C.Artmann erinnert (etwa "Abenteuer eines Weichenstellers"). Die 9-stündige Radtour von St. Corona nach Wien irritiert mich etwas. Von St. Corona am Wechsel nach Wien wären es auf der Landkarte etwa 100 km oder aber handelt es sich um ein anderes St. Corona, das ich nicht kenne. Eventuell haben sich auf der Fahrt nach Wien gewisse Verzögerungen ergeben, die hier nicht beschrieben werden. Ich nehme aber trotzdem an, es handelt sich um das Wechsel-Corona, wo es eine Sommerrodelbahn und diverse Schwaigen (Almen) gibt, wo die Suche nach narrischen Schwammerl mit halluzinogenen Inhaltsstoffen recht beliebt ist (im Internet finden sich dazu diverse Beiträge). Sollte es hingegen dichterische Freiheit gewesen sein, die das St. Corona aus gegebenem Anlass erfunden hat (der Verfasser war mit seinem Rad wahrscheinlich schon irgendwo unterwegs und hat diese Radtour poetisch und zeitgemäß verarbeitet), ändert das für mich nichts am Gehalt der Erzählung.

Jedenfalls würde ich es als einen angemessenen und würdigen symbolischen Akt erachten, wenn die Bikeboard-Community in Nach-Corona-Zeiten eine Radtour (oder Gravel oder sonstwie) mit dem Ziel bzw. Ausgangspunkt St. Corona (am Wechsel) ausschreibt, quasi als Reminiszenz und Würdigung und zu-Grabe-Tragung der vergangenen schweren Pandemiezeiten. Sollte so etwas zustande kommen (die Ostösterreicher tun sich da leichter bei der Planung, weil die Gegend ja quasi vor ihrer Haustüre liegt), würde ich mich mit meinem Bike gerne anschließen, zumal ich ja Niederösterreich (und die dortigen Weine etwa aus der Thermenregion) sehr schätze.

LG auch ein Hans aus dem oö. Hausruckviertel

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Wurde da hoffentlich Corona-Bier ausgeschenkt! :U:

 

Oder noch besser:

 

pew3c8.jpg

 

Also das Rad hat Corona bekommen, weil es aus Carbon war?! Interessant... :ueroll:

 

Oder symbolisch, "es trifft immer wo man es nicht erwartet", oder "ein Unglück kommt selten allein". :spineyes:

Bearbeitet von gylgamesh
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